Die Zwillinge Pia und Melina* kamen als Dreijährige in unser Kinderdorf – entwicklungsverzögert und mit Konzentrationsschwierigkeiten. Kinderdorfmutter Kathrin nahm die Mädchen in ihrer Familie auf und sorgte mit Strukturen und viel Liebe dafür, dass die beiden ihre Defizite aufholen. Mit Erfolg! In diesem Jahr werden Pia und Melina 18 Jahre alt und trotz ihres herausfordernden Starts, haben beide jungen Frauen einen guten Weg für sich eingeschlagen. Nun steht den Mädchen ein weiterer großer Schritt bevor: der Weg in ein selbstständiges Leben.

Ein Interview mit Kinderdorfmutter Kathrin

Wie unterstützen Sie Pia und Melina auf dem Weg in die Selbstständigkeit?

Verselbstständigung beginnt mit dem ersten Tag im Kinderdorf. Mit viel Übung und Fleiß haben es die beiden zu guten Schülerinnen geschafft. Melina war sogar jahrelang Klassenbeste. Nun galt es herauszufinden, wie der Weg nach dem Schulabschluss weitergehen soll. Darüber haben wir viel gesprochen und recherchiert. Melina wollte zunächst als AuPair ins Ausland gehen. Wir fanden in gemeinsamen Gesprächen jedoch recht schnell heraus, dass dieser Schritt zu groß und die Rahmenbedingungen für sie nicht passend wären.

Die Zwillinge haben sich ähnlich entschieden und gehen doch ganz unterschiedliche Wege.

Das stimmt, beide befinden sich seit Herbst 2020 in einem Freiwilligen ökologischen Jahr (FöJ). Pia ist in der Nähe geblieben und bewohnt nun eine Einliegerwohnung in unserem Kinderdorf Steinbach, um das Alleine leben zu trainieren.

Melina ist hingegen für ihr FöJ nach Zittau gezogen und lebt dort auf einem Rinderbauernhof bei einer Familie. Sie besucht uns aber sehr regelmäßig.

In welchen Bereichen benötigen Pia und Melina noch Ihre Unterstützung?

Mit Melina habe ich einen Sparplan erstellt. Sie hat während des FöJ die Gelegenheit, Geld beiseite zu legen. Die Verdienstmöglichkeiten während eines FöJ sind zwar nicht enorm, aber bei der Familie erhält sie freie Kost und Logis. So kann Melina für ihre erste eigene Wohnung sparen. Neben der Erstausstattung wird ja meist auch eine Kaution von drei Monatsmieten fällig. An diesen Sparplan hält sich Melina sehr diszipliniert.

Pia würde auch gern sparen, weiß aber noch nicht, ob sie das volle Gehalt behalten darf, welches sie im FöJ verdient. Denn nach §91 – §94 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes muss sie 75 Prozent ihres Nettoeinkommens abgeben, weil sie noch in einer Einliegerwohnung unseres Kinderdorfes wohnt. Dazu sind wir nun erst einmal in Widerspruch gegangen. Die Entscheidung steht aber noch aus.

Kurz nach ihrem Umzug in die Einliegerwohnung hat Pia noch Hilfe bei der Erledigung des Haushalts benötigt. Das heißt aber nicht, dass ich dann bei ihr aufräume oder putze – sie soll es ja allein können. Wir haben einen kleinteiligen Putzplan erstellt und es gelingt ihr immer besser, diesen umzusetzen.

Wie wird es nach dem FöJ weitergehen?

Beide möchten gern im landwirtschaftlichen Bereich bleiben. Durch die ländliche Lage unseres Kinderdorfs und die beiden Pferde sind die Zwillinge schon immer sehr naturverbunden gewesen. Sie suchen nun nach geeigneten Ausbildungsplätzen. Mir ist es wichtig, dass sie eine Ausbildung machen, die staatlich anerkannt ist. Bei dem Bewerbungsverfahren unterstütze ich sie natürlich so gut es geht.

*Namen zum Schutz der Kinder geändert